Drei Brüder unter Strom

Aus Spaß bauen die Kreisel-Brüder aus Freistadt ihr erstes Elektroauto. Kurz darauf entwickeln sie eine revolutionäre Akku-Technologie und gründen eine Elektroauto-Schmiede. Ihr jüngster Coup: Ein elektrischer Porsche Panamera, der seine Benzinbrüder locker abhängt.  
Die Brüder Philipp, Markus und Johann Kreisel (v.l.) fingen als Bastler an und gelten heute als echte Elektro-Pioniere.

Markus Kreisel spricht fast so schnell wie ein Diktiergerät mit gedrückter Fast-Forward-Taste. Ein Tempo, das zum rasanten Aufstieg passt, den die junge Elektroautoschmiede Kreisel Electric derzeit hinlegt. Angefangen hat alles Ende 2012, als im Freistädter Familienunternehmen Red Zac Kreisel GmbH gerade das Weihnachtsgeschäft mit Fernsehern, Computern und Spielkonsolen blüht. Nach Feierabend frönen die drei Brüder Johann, Markus und Philipp Kreisel ihrem neuen Hobby, befreien einen alten Audi A2 von Motor, Getriebe und Auspuffanlage, bauen E-Maschine, Batteriepaket, Wechselrichter und Steuerelektronik ein – fertig. Nach nur sieben Bastelabenden fährt der Kleinwagen mit Strom statt mit Benzin. „Es war überraschend einfach, daher haben wir uns gleich etwas Größeres vorgenommen“, erzählt Markus Kreisel. Nächstes Projekt also: Porsche 911 Carrera S. Diesmal mit den besten E-Antriebskomponenten, die man kaufen kann. Die Kreisel-Brüder investieren ihr Erspartes, insgesamt 150.000 Euro. Das Projekt gelingt, der E-Porsche zieht mit einer Beschleunigung von 5,9 Sekunden von 0 auf 100 mit seinen Benzinbrüdern gleich, ist dafür aber deutlich sparsamer und leiser. Darüber hinaus bricht er gleich mehrere E-Mobilitätsrekorde: 50 Kilogramm leichter als das Original, stattliche 400 Kilometer Reichweite und eine Vollladedauer von nur 2,5 Stunden. Plötzlich wird das anfangs belächelte Bastler-Trio ernst genommen, die ersten Kundenaufträge trudeln ein. Die Brüder gründen eine Firma, die Kreisel Electric GmbH. Dass der E-Porsche später abbrennt, kann dem guten Ruf der Strom-Pioniere nicht mehr schaden. Ein Kabel der originalen 12-Volt Bordelektrik war gebrochen, hatte Funken geschlagen und den Wagen in Brand gesetzt. Zum Glück ersetzt die Versicherung den Schaden, der E-Antrieb der Kreisels konnte ja nichts dafür. „Wir haben viel aus diesem Brand gelernt“, sagt Markus Kreisel. Er ist gelernter Kaufmann, Bruder Johann Elektronik- und Kommunikationstechniker, Bruder Philipp Maschinenbautechniker – der ideale Kompetenz-Mix, garniert mit einem ordentlichen Schuss Unternehmergeist. Zusätzliche Experten werden aufgenommen, heute werken insgesamt zehn Mitarbeiter bei Kreisel-Electric. Keine Akademiker, nur Facharbeiter mit viel Praxiserfahrung. 

Umweltfreundlicher Nahverkehr
Nach zwei weiteren gelungenen Projekten – der Elektrifizierung eines VW Käfer Cabrios und eines BMW 3er Touring – stürzen sich die Kreisel-Brüder mit Feuereifer auf die Revolution des Nahverkehrs. „Ich pendle täglich 22 Kilometer durch eine wunderschöne Landschaft in die Firma – da ist mir die Idee gekommen“, erzählt Markus Kreisel. So nehmen sich die E-Auto-Pioniere einen VW Caddy vor, danach einen Mercedes Sprinter. Das Ergebnis: Mit 350 km (Caddy) und 300 km (Sprinter) übertreffen sie die Reichweiten ähnlicher Fahrzeuge wie Re­nault Kangoo Z.E. oder Nissan NV200 gleich um das Doppelte, das Volltanken mit Strom geht rund viermal so schnell wie bei den Mitbewerbern. Wie sie das geschafft haben, ist natürlich streng gehütetes Firmengeheimnis, doch Markus Kreisel lüftet davon immerhin einen kleinen Zipfel. „Wir verwenden ähnliche Batteriezellen wie Tesla, doch verbinden wir sie mit einem von uns entwickelten Laser-Schweißverfahren.“ Im Fahrzeug werden die Akkus über ein flüssiges Medium je nach Bedarf geheizt oder gekühlt. Damit erhöht sich die Reichweite an heißen Sommer- oder kalten Wintertagen sowie die Lebensdauer der Zellen. Die Kreisels garantieren daher für Caddy und Sprinter eine Batterielebensdauer von 250.000 Kilometern bei mindestens 80 Prozent Restkapazität. Zwei Akkus sind im Sprinter verbaut, inklusive Gehäuse, Batteriemanagement und Elektronik summiert sich ihr Gewicht auf 500 Kilogramm. „Dafür fällt der Verbrennungsmotor weg“, relativiert Markus Kreisel und verweist auf den zusätzlichen, 1,5 Kubikmeter großen Stauraum unter der Motorhaube des Sprinter.

Produktionsstart 2016
„2016 werden die ersten elektrischen Caddys und Sprinters vom Band rollen“, versprechen die Freistädter Elektropioniere. Derzeit verhandeln sie sowohl mit dem VW-Konzern als auch mit der Daimler AG über eine Lizenzfertigung, wollen ihr Know-how aber nicht aus der Hand geben. „Wir haben schon heute genügend Bestellungen und können die Fahrzeuge auch alleine umbauen“, so Markus Kreisel. Für Werkstatt, Forschungslabor und Produktion haben die Brüder bereits ein 10.000 Quadratmeter großes Grundstück gekauft, 70 Mitarbeiter sollen demnächst aufgenommen werden. „Bis Ende 2015 müssen die OEMs eine Entscheidung treffen, Anfang 2016 legen wir auf jeden Fall los“, sagt Kreisel. Der Preis für einen Sprinter wird je nach Ausstattung zwischen 70.000 und 100.000 Euro liegen, der Caddy kommt auf 45.000 bis 60.000 Euro. „Bei einer Nutzungsdauer von sechs Jahren und einer täglichen Kilometerleistung von 200 Kilometern erspart man sich beim E-Sprinter insgesamt rund 45.000 Euro Spritkosten“, rechnet Markus Kreisel vor. Dazu kommt dank des wartungs- und verschleißarmen E-Antriebs eine Servicekosten-Ersparnis von etwa 9.000 Euro, und außerdem schießt der Klimaaktiv-Fond des Bundes derzeit 20.000 Euro Förderung zu, wenn der E-Sprinter ausschließlich mit Ökostrom betrieben wird – unterm Strich also E-Mobilität fast zum Nulltarif. Es wären jedoch nicht die Brüder Kreisel, würden sie sich mit dem Erreichten zufrieden geben. So haben sie die Leistungsdichte ihres patentierten Akkus kürzlich noch einmal gesteigert und offerieren damit das derzeit leichteste Batteriepaket mit 4,1 kg pro kWh.
Auch das Thema E-Sportwagen lässt die drei unter Strom stehenden Brüder nicht los. Ihr aktuelles Meisterstück ist ein elektrischer Porsche Panamera 4S mit 450 Kilometer Reichweite, 500 PS Motorleistung, einem Drehmoment von 770 Nm und einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h, der seine Benzinbrüder locker abhängt.