Mercedes 560 SEC AMG: Schönheit mit Rußfahne

Diagnosekrimi
17.06.2016

Für Mercedes-Spezialist Andreas Mandl ist das 560 SEC AMG Coupé eines der schönsten Autos, die je gebaut wurden. Der Youngtimer, der in seiner Werkstatt landet, hat jedoch einen Schönheitsfehler: Aus seinem Auspuff bläst schwarzer Ruß.
Andreas Mandl benötigt für die korrekte CO-Grundeinstellung ein Spezialwerkszeug, das statt der Lambdasonde in den Auspuff geschraubt wird.
Eine defekte Sicherung hinter der Abdeckung auf der Beifahrerseite wird getauscht.
Der Leerlaufdrehsteller (Mitte) arbeitet nicht und wird gereinigt.

Ein Wiener Sammler historischer AMG-Modelle erwirbt das schwarze 560er-Coupé, Baujahr 1987, wegen eines ungeklärten Defektes an der Einspritzanlage relativ günstig in Japan und importiert es nach Österreich. Der 385 PS starke 6,0 Liter 4Ventil V8-Benzinmotor lässt sich zwar problemlos starten, doch auf der Fahrt verpestet er die Umwelt mit schwarzen Rußwolken, bevor er nach etwa 20 Minuten im Leerlauf abstirbt. Erst nach längerer Abkühlung lässt er sich wieder starten. Der Sammler bringt das Schmuckstück zum Spezialisten, dem Classic Serviceteam von Wiesenthal in Wien-Wieden, das von Andreas Mandl geleitet wird. „Ich arbeite seit rund 35 Jahren an solchen Premiumfahrzeugen, doch bei diesem Fall hab’ sogar ich etwas dazugelernt“, gibt der Experte zu. Denn die Fehlersuche entwickelt sich zu einem Diagnosekrimi mit falschen Fährten und Irrwegen.    

Die Fehlersuche im Detail:

▶ Service an Zünd- und Einspritzanlage, Erneuerung der Verschleißteile inklusive Zündkerzen. Dabei stellt sich heraus, dass der Leerlaufdrehsteller nicht arbeitet. 

▶ Aus Kostengründen wird der zylinderförmige Teil nicht erneuert, sondern ausgewaschen, die Verkokungen mit einem Lösungsmittel entfernt. Fazit: Im ausgebauten Zustand funktioniert der Leerlaufdrehsteller einwandfrei.

▶ Nach dem Einbau das gleiche Problem, der Leerlaufdrehsteller versagt erneut. Eine Überprüfung zeigt, dass die Stromzufuhr vom Steuergerät unterbrochen ist. Nach dem Studium des Stromlaufplanes nimmt das Classic Serviceteam Kontakt mit Hersteller AMG im deutschen Affalterbach auf. „Zum Glück gab es dort noch einen älteren Mitarbeiter, der sich an das Modell erinnern konnte und uns den entscheidenden Hinweis gab“, erzählt Andreas Mandl. Tatsächlich ist eine Sicherung auf dem Leerlauf-Steuergerät des Leerlaufdrehstellers hinter einer Abdeckung unter dem Armaturenbrett defekt und wird getauscht – das Problem scheint gelöst.

▶ Der nach wie vor unruhige Leerlauf sowie die katastrophalen Abgaswerte machen eine weitere Fehlersuche notwendig. „Wir haben unser Schulwissen hervorgekramt und die Lambdasonde abgeklemmt, damit uns die automatische Gemischregulierung nicht die Messergebnisse verpfuscht“, erzählt Mandl.

▶ Ergebnis der Untersuchung: Ein Einspritzventil ist hängen geblieben. Die Folge: Benzin strömt ungehindert in einen von acht Brennräumen, das Gemisch in den anderen sieben Zylindern wird vom Steuergerät zum Ausgleich viel zu mager geregelt. 

▶ Das Ventil wird getauscht, nun schöner Leerlauf, aber die CO-Grundeinstellung von 2–2,5 % laut AMG lässt sich immer noch nicht korrekt einstellen. Die Experten berufen neuerlich eine Krisensitzung ein und überlegen: Eigentlich müssen die Grundeinstellung der CO-Werte ja vor dem Katalysator gemessen werden. Das Problem dabei: An den Abgaskrümmern gibt es keine Prüföffnungen. Zum Glück kann AMG ein Spezialwerkzeug liefern, das anstelle der Lambdasonde in den Auspuff eingeschraubt wird. „Wenn wir uns mehr Zeit zum Nachdenken genommen hätten, wären wir da früher draufgekommen“, gesteht Andreas Mandl. 

▶ Nach korrekter Einstellung der Einspritzanlage und Wiedereinbau der Lambdasonde gibt es jedoch erneut lange Gesichter beim Classic Serviceteam: Die Abgaswerte sind immer noch stark erhöht.

▶ Eine vorsichtige Testfahrt auf der Autobahn bringt den Katalysator auf Betriebstemperatur, und siehe da: Die anschließende Messung zeigt mit einem CO-Wert von 0,0, einem HC-Wert von 5 und einem Lambdawert von 1,0 geradezu vorbildliche Ergebnisse.

Fazit

Fall gelöst, das fast 30 Jahre alte Luxus-Coupé hat nun schönere Abgaswerte als so mancher aktuelle Neuwagen. Das Resümee des Experten: „Wir haben gewusst, dass ein Abgaskatalysator eine gewisse Betriebstemperatur benötigt, aber dass der Unterschied der Wirkung zwischen betriebswarmem und kaltem Katalysator tatsächlich so hoch ist, war uns bis dato unbekannt!“